Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Eigentlich ist der von allen verwendete Begriff E-Invoicing falsch. Genau genommen ist der Begriff sogar irreführend. Auch wir folgen diesem globalen Phänomen und nennen unsere Lösung „E-Invoice World Cloud“. Aber warum?
Das liegt vor allem daran, dass wir an einem überkommenen Begriff festhalten, der früher tatsächlich nur eine digitale Form der Rechnung beschrieb – heute aber für nahezu jede Form der Übermittlung von Informationen im Zusammenhang mit Kunden-, Lieferanten- und Behördenbeziehungen steht. Und die staatliche Einflussnahme nimmt unter anderem dank der E-Invoicing Directive 2014/55/EU stetig zu.
Dieses Jahr legt der Weihnachtsmann nicht nur Geschenke, sondern auch einige legale Änderungen unter den geschmückten Tannenbaum. Neben Änderungen in Mexiko, Spanien und Italien erwarten nun auch die Behörden in Griechenland, Portugal und Indien tiefere Einblicke in die Geschäftsprozesse der Unternehmen. Alles unter dem Deckmantel E-Invoicing! Doch E-Invoicing– das bedeutete in diesen Fällen nicht einfach mal eine Rechnung digital schnell irgendwo hinschicken. Es ist also kein reines Middleware-, Mapping- oder Schnittstellenthema. Alles easy und schnell mal umgesetzt? Nicht wirklich! Ich behaupte: Wer heute noch meint, dass E-Invoicing nur digitale Rechnungslegung ist, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann!
Komplexe Steuer- und Fiskalsysteme
Es geht schon lange nicht mehr „nur“ um E-Invoicing. Sondern um die Meldung von Warenbewegungen, Zahlungsflüssen sowie das Reporting von diversen – teilweise kumulierten – Salden an Behörden. Auch wenn Digitalisierung dies suggeriert – es geht eben nicht einfach darum, papierlose Rechnungen zu erstellen. E-Invoicing – dieser Begriff war ja eigentlich nur der Aufhänger. Das Thema dahinter hat sich mittlerweile verselbständigt. Wir reden heute nicht mehr über den digitalen Austausch von Rechnungen zwischen zwei Business Partnern. Vielmehr geht es um Anforderungen von Behörden an die Übermittlung von Informationen aus Business-Prozessen. Und die sind sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Wie mache ich alle glücklich?
In manchen Ländern geht es um Reporting, in manchen um Lieferbewegungen, also das, was man klassischerweise aus Zoll und Außenhandel kennt. Manchmal geht es gar um lokale Warenbewegungen innerhalb eines Firmenstandortes. In wieder anderen Nationen muss ich faktisch die eigentliche Rechnung zeitnah an die Steuerbehörde schicken. Das brasilianische Steuer- und Fiskalsystem etwa sprengt alles Vorstellbare. Wer in diesem steuerrechtlichen Labyrinth Geschäfte macht, muss sich damit auseinandersetzen, dass jeder logistische Vorgang mit Fiskalvorschriften einhergeht, die das Tagesgeschäft begleiten. Vom Aufwand des dortigen Genehmigungsprozess „Nota fiscal“ dürfte jeder schon einmal gehört haben.
Wenn man sich das alles genauer anschaut, passt eines nicht mehr: die klassischen Tools, alteingesessenen Partner und etablierten Technologien, die bislang beim globalen E-Invoicing zum Einsatz gekommen sind. Denn: das heutige E-Invoicing nimmt Einfluss auf die Prozesse des Kunden – egal, ob Pharmahersteller, Autozulieferer oder Holzproduzent. Und hier beginnt schon das nächste Paradoxon: Wie soll der legale Standard zum „Standard“ der Kundenprozesse passen? In der Realität sprechen wir über Geschäftsprozesse, die bei Weitem noch nicht standardisiert sind. Oft sind es meist historisch gewachsene Unternehmensprozesse mit einem ganz eigenen „Farbton“, mit individuellen Best Practices aus den jeweiligen Landesgesellschaften („Haben wir schon immer so gemacht“).
Das Thema wird unterschätzt!
Diese Prozesslandschaft gilt es in Einklang zu bringen mit künftigen Business-Anforderungen sowie mit den globalen Anforderungen eines standardisierten, harmonisierten Templates, das unter ein globales Governance-Modell passen muss. Hinzu kommen dann noch die strengen Vorgaben der Behörden. Da stellt sich die Frage: Wie kann ich eigentlich jeden glücklich machen? Es gilt ja, so vielen Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Und: Es kann eigentlich keine Zielkonflikte geben, denn alle haben ja faktisch Recht!
Eine komplexe Aufgabe! Das bedarf eines umfassenden Verständnisses, einer intelligenten Lösung und einer lückenlosen Integration im SAP-System – und das in Zeiten von Digitalisierung, S/4HANA, ONE Global Corporation, ONE Finance, Corporate Templates, Transparenz, Standardisierung und Harmonisierung. Dabei weiß man: In vielen IT-Abteilungen wird das Thema eher stiefmütterlich behandelt und daher auch unterschätzt. Das ist gefährlich. Manchmal bekommen wir spontan Anrufe von Kunden – und das, gerade mal drei Wochen, bevor eine wichtige legale Anforderung in Kraft tritt.
Das Ziel: Single Point of Truth
Von vielen Konzernen werden nur noch Rechnungen in einem spezifischen Format akzeptiert. Im globalen Wettbewerb können Lieferanten sogar Kunden verlieren, wenn sie bestimmte Informationen nicht im richtigen Format zur Verfügung stellen. Die Supply-Chains im Bereich Automotive etwa sind geprägt von einem hohen Grad an Automatisierung und schnellem Datenaustausch. Hier reden wir nicht über reines Mapping oder eine Struktur, sondern über die Anpassung von kompletten Business-Prozessen. Eine moderne Lösung für „E-Invoicing“ muss genau das reflektieren. Sie muss Prozessunterstützung im Kontext leisten. Es geht längst nicht mehr nur um Formate und Übertragungswege, sondern um die digitale End-2-End-Prozessintegration der legalen Anforderungen.
Es geht nicht um Formate und Übertragungswege, sondern um die digitale End-2-End-Prozessintegration der legalen Anforderungen.
Was ist heute die Herausforderung? Ich bekomme neue Anforderungen und muss dann analysieren: Was sind die Auswirkungen auf den End-2-End-Prozess? Wie gewährleiste ich meinen Single Point of Truth? Wie vermeide ich Medienbrüche? Da sind wir wieder beim Punkt Digitalisierung und Standardisierung. Denn, wenn ich jetzt plötzlich wieder abenteuerliche Medienbrüche herbeiführe, nur damit meine B2G-Abläufe sauber funktionieren, dann bin ich wieder auf dem falschen Weg.
Sie sehen: Reibungslose E-Invoicing-Prozesse implementieren, und das state-of-the-art, das macht man nicht mal eben an einem Nachmittag. Das hat Projektcharakter.
Nochmal: Das Thema ist viel größer als der Name suggeriert!
Wie wäre es mit „Elektronische Behördenkommunikation“ oder „Legal Requirements Process Integration“? Noch existiert kein etablierter Begriff, der diesen Zusammenhang prägnant und zugleich umfassend abdeckt. Aber vielleicht ist die Suche danach einer meiner guten Vorsätze fürs Neue Jahr. Haben Sie Lust, sich anzuschließen? Dann senden Sie mir gerne Ihre Vorschläge!